Laudatio zur Arbeit von Herrn Dr. Christoph WILLERS mit dem Thema „Marketing in Widerstandsmärkten – Untersucht am Beispiel gentechnisch veränderter Lebensmittel“:
Zur Person des Preisträgers:
Dr. rer. pol. Christoph WILLERS, geboren am 8. August 1979 in Bonn, hat 1999 sein Abitur am Vinzenz-Pallotti-Kolleg in Rheinbach gemacht und anschließend seinen einjährigen Zivildienst bei den Paritätischen Sozialdiensten in Bonn absolviert. Von 2000 bis 2005 hat er mit Unterbrechung Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Beschaffung, Produktpolitik, Medienmanagement und Wirtschaftspsychologie studiert und im Sommer 2005 mit dem Diplom als Diplom-Kaufmann erfolgreich abgeschlossen. Er gehörte dabei zu den 4% Besten seines Jahrgangs. Ein Semester seines Studiums hat er von August 2004 bis Januar 2005 an der Aarhus School of Business in Dänemark verbracht. Darüber hinaus hat er von Oktober bis Dezember 2002 am Internationalen Hochschulwettbewerb von A.T. KEARNEY und der WirtschaftsWoche teilgenommen und es bis in das Finale geschafft. Von August 2005 bis Dezember 2007 war er Promotionsstudent am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Universität zu Köln mit dem Schwerpunkt Beschaffung und Produktpolitik bei Prof. Dr. Udo KOPPELMANN, ab Mai 2006 als Stipendiat der Deutschen Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Dezember 2007 wurde Herr WILLERS nach nur zweijähriger Doktorandenzeit mit der Note „Magna Cum Laude“ zum Dr. rer. pol. promoviert.
Die beruflichen Erfahrungen von Herrn Dr. WILLERS reichen bis in die Schulzeit zurück. Seinem Hobby „Kochen“ folgend hat er Praktika in verschiedenen Restaurantküchen abgeleistet. Während des Studiums war er selbständig im Catering-Service tätig. Darüber hinaus kann Herr WILLERS acht weitere Tätigkeiten/Engagements als Praktikant, Werkstudent und studentischer Mitarbeiter in Unternehmen nachweisen, die in den Bereichen Eventmarketing, Messeorganisation, Marketing, Qualitätsmanagement, Versandhandel und Consulting angesiedelt waren.
Seit November 2007 schließlich arbeitet er als Consultant und Projekt-Manager bei der AFC Management Consulting AG in Bonn und widmet sich dort vor allem dem Risiko- und Krisenmanagement im Agrar- und Lebensmittelsektor. Neben seinen beruflichen Aktivitäten hat er auch immer wieder Zeit gefunden, sich sozial zu engagieren. Seit mehr als sechs Jahren betreut er Ferienprogramme für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren.
Zur Arbeit des Preisträgers:
Die Doktorarbeit von Christoph WILLERS greift ein gesellschafts- und agrarpolitisch hoch interessantes Thema auf. Seit vielen Jahren wird über den Einsatz der Gentechnik im Lebensmittel- bzw. Agrarsektor in Deutschland sehr kontrovers diskutiert. Die Ablehnungsfront ist dabei nach wie vor so massiv, dass sich Politik bislang nicht zu einer Zulassung gentechnisch veränderter heimischer Produktion von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln durchringen konnte. Gleichzeitig boomt die grüne Gentechnik auf den Weltmärkten. Auf über 100 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche werden inzwischen gentechnisch veränderte Produkte angebaut, mit stark zunehmender Tendenz.
Hieraus ergeben sich zwei zentrale Fragestellungen. Kann eine Volkswirtschaft es sich auf Dauer leisten, auf den Auf- und Ausbau einer Schlüsseltechnologie wie die Biotechnologie zu verzichten? Gehen nicht Markt- und Exportanteile bei der Agrar- und Nahrungsmittelproduktion unwiderruflich verloren, wenn auf die Grüne Gentechnik verzichtet wird? Die Antworten auf diese Fragen sind mehr oder weniger unstrittig. Volkswirtschaftlich wäre es ein deutlicher Wohlfahrtsverlust, wenn man auf diese Schlüsseltechnologie verzichten würde. Und betriebswirtschaftlich würde man wichtige Märkte des AgriFoodBusiness an internationale Konkurrenten verlieren. Hier setzt nun die Arbeit von Dr. WILLERS an. Die Dissertation setzt sich zum Ziel, ein Marketingkonzept für Widerstandsmärkte zu entwickeln, wofür gentechnisch veränderte Lebensmittel als Beispiel dienen. Widerstandsmärkte entstehen nach Aussage des Autors durch ein Produktangebot, das bei Marktteilnehmern in der Regel als nicht sicher, nicht gesund oder als ethisch-moralisch nicht vertretbar angesehen wird. Bei der Vermarktung solcher Produkte gilt es deshalb nicht nur, besser als die Konkurrenten zu sein und die Verbraucherwünsche genau zu erkennen, sondern vor allem auch die Widerstände zu überwinden.
Die Arbeit ist nach der Einleitung in sechs Hauptkapitel gegliedert. Zunächst werden die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Fragestellung behandelt und zentrale Begriffe wie Biotechnologie, Gentechnik, Lebensmittel und Marketing erläutert. Dann geht es um die technologischen, rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Thematik, die einen wesentlichen Einfluss ausüben. Im dritten Hauptkapitel wird ein verhaltenswissenschaftlicher Erklärungsansatz vorgestellt, der sich mit den Konsequenzen ausgeübter Macht beschäftigt und das mögliche Verhalten der Konsumenten gegenüber der Grünen Gentechnik beschreibt. Hieraus lassen sich bereits erste Schlussfolgerungen für den Abbau von Dissonanzen gegenüber dem (potenziellen) Produktangebot ableiten. Das vierte Hauptkapitel enthält den empirischen Teil der Arbeit. Auf der Basis einer qualitativen Grundlagenstudie in Form von Gruppendiskussionen und Tiefeninterviews (Stichprobe n=45) sowie einer quantitativen Volumenbefragung in Form von Computer gestützten Telefoninterviews (Stichprobe n=1000) arbeitet der Autor eine interessante Typologie der verschiedenen Verbrauchereinstellungen heraus, die er mit der Faktoren-, Cluster- und Regressionsanalyse belastbar absichert. Danach unterscheidet er fünf Einstellungstypen, die sich wie folgt auf die Stichprobe verteilen: Ablehner der Grünen Gentechnik 16 % Misstrauisch Ängstliche 30 % Desinteressierte 18 % Aufgeschlossen Ängstliche 20 % Befürworter 16 % Als weiteres Differenzierungsmerkmal definiert der Autor im fünften Hauptkapitel verschiedene Einkaufstypen. Er unterscheidet dabei Biokäufer, ländliche Direktkäufer, Preiskäufer, Convenience Käufer, Nicht-Käufer und ordnet diesen die Einstellungstypen zu. Interessant dabei ist, dass sich die jeweiligen Einstellungen (Ablehner, etc.) sehr unterschiedlich auf die Einkaufstypen verteilen, so dass sich daraus Zielgruppen spezifische Vermarktungs- und Kommunikationsstrategien ableiten lassen. Das geschieht im sechsten Hauptkapitel der Arbeit, das zudem die grundlegenden Kommunikationsprobleme bei der Grünen Gentechnik noch einmal aufzeigt und geeignete Kommunikationsstile und -instrumente diskutiert. Als Kernprobleme der Grünen Gentechnik bezeichnet der Autor die allgemeine gesellschaftliche Ablehnung und die fehlende Alltagsrelevanz. GVO-Märkte seien danach Phantommärkte ohne Erfahrungshintergrund. Als problematisch erweist sich insbesondere, dass die Verbraucher bislang keinen Mehrwert erkennen; die Risikokommunikation dominiert und nicht die Chancenkommunikation; die Deutungshoheit der Ablehner sich auch im „Wording“ widerspiegelt (z. B. “gentechnisch manipuliert“); mitunter ein Kommunikationsvakuum entsteht, weil Marktteilnehmer lieber schweigen; Industrie und Lebensmitteleinzelhandel oft wenig Glaubwürdigkeit besitzen und keine Zielgruppen spezifische Kommunikation betrieben wird. Zum letzten Punkt empfiehlt der Autor unterschiedliche Kommunikationsstile für die verschiedenen Einstellungstypen, die dann mit ganz konkreten Handlungsempfehlungen zur Werbung, Verkaufsförderung, Produktpublizität und Anwendungsberatung umgesetzt werden sollten. Misstrauisch Ängstliche – Behutsamer Vertrauensstil Desinteressierte – provozierender Neugierde-Stil Aufgeschlossen Ängstliche – optimistischer Fortschrittsstil Befürworter – technisch-wissenschaftlicher Leistungsstil.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Arbeit von Herrn Dr. WILLERS in hervorragender Weise die vier zentralen Auswahlkriterien für den AgriFoodBusiness-Preis erfüllt. Sie beschäftigt sich mit den Wachstumsmärkten und Innovationsschüben einer Schlüsseltechnologie. Sie erfasst die gesamte Nahrungskette von der Vorleistungsindustrie der Landwirtschaft bis zum Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucher. Sie ist methodisch/empirisch anspruchsvoll und besitzt einen konkreten praktischen Anwendungsbezug. Nicht zuletzt leistet der Autor einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu einer komplexen, emotional hoch aufgeladenen Thematik. Die Jury gratuliert dem Autor für diese ausgezeichnete Leistung und wünscht der Doktorarbeit einen breiten Leserkreis.
Ludwigshafen, 30.10.2008, Prof. Dr. P. Michael Schmitz