Den mit 8000 Euro dotierten Branchen-Preis haben 2009 Frau Dr. Helga Andree, TENIRS GmbH, Kiel und Herr Dipl.-biol. Hans Fabian Jacobi, Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik, Christian-Albrechts-Universität, Kiel für ihre gemeinsame Arbeit „Anlagenumfassende Überwachung des Biogasprozesses mittels Nahinfrarotspektroskopie“ erhalten.
Herr Prof. Schmitz, Universität Gießen betonte in seiner Laudatio, dass diese Arbeit sowohl erhebliche wissenschaftliche Bedeutung als auch inzwischen die Bewährungsprobe in der Praxis bestanden habe. Diese neue Untersuchungsmethode sei ein deutlicher Fortschritt für eine effiziente und nachhaltige Biogasproduktion.
Laudatio von Professor Schmitz
1. Zur Person der Preisträger
(a) Dr. Helga ANDREE, geboren am 14. Juni 1966 in Karansebesch (Rumänien), hat im Juni 1985 am Fichte-Gymnasium in Karlsruhe ihr Abitur gemacht und anschließend für zwei Jahre als Au-Pair-Mädchen in den USA gearbeitet. Nach ihrer Rückkehr aus den USA hat sie von 1987 bis 1989 an der Freien Universität Berlin Chemie und vom Sommer 1989 bis zum Frühjahr 1993 Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Tierproduktion an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel studiert. Im April 1993 hat sie das Studium erfolgreich abgeschlossen und den Titel eines Diplom-Agraringenieurs erworben. In ihrer Diplomarbeit hat sie sich mit den gesetzlichen Regelungen zur Geruchsemission, Abstandsregelung und Ausbreitungsrechnung in großen Betrieben beschäftigt. Direkt nach dem Examen hat sie anschließend als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierernährung und Stoffwechselphysiologie der CAU Kiel begonnen und ist nach zwei Jahren an das Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik gewechselt, wo sie bis 1997 das Thema ihrer späteren Doktorarbeit „Eiweißreduzierte nährstoffangepasste Einzeltierfütterung von Mastschweinen“ bearbeitet hat. In den Jahren 1997/98 hat sie die Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin unterbrochen und als Verwaltungsangestellte im Planungsdezernat der Zentralen Verwaltung der CAU Kiel gearbeitet. 1998 ist Frau ANDREE an das Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik zurückgekehrt und war bis zum Februar 2008 über zehn Jahre lang erfolgreich mit zahlreichen Forschungsvorhaben befasst. Darüber hinaus war sie intensiv und eigenständig in die Lehre sowie in die Betreuung von Studierenden und Doktoranden eingebunden. Im Juli 2000 wurde sie mit dem oben genannten Thema zum Dr. sc. agr. der CAU Kiel promoviert, und im September 2004 hat sie den Ideenwettbewerb 2004 des Landes Schleswig-Holstein „Ideen von heute für Unternehmen von morgen“ mit der Geschäftsidee „TENIRS“ gewonnen. Bei TENIRS handelt es sich um eine GmbH, die als Spin-Off der CAU Kiel im Oktober 2006 ausgegründet worden ist und deren Kerngeschäft die Anwendung der Nahinfrarotspektroskopie ist. Seit März 2008 ist Frau Dr. ANDREE nun hauptberuflich für den Vertrieb und das Projektmanagement der TENIRS GmbH in Kiel verantwortlich. Frau Dr. ANDREE ist verheiratet und hat drei Kinder.
(b) Herr Dipl.-Biol. Hans Fabian JACOBI, geboren am 3. Oktober 1977 in Göttingen, hat im Juni 1997 sein Abitur am Landschulheim im Solling bei Holzminden gemacht und hat noch während der Schulzeit vom Sommer 1994 bis zum Sommer 1995 für ein Jahr als Gastschüler in Ohio (USA) verbracht. Nach dem Abitur hat er dann ab September 1997 seinen 10-monatigen Wehrdienst bei der Bundeswehr absolviert, und zwar beim 4. Panzerartilleriebataillon in Stadtoldendorf. Anschließend erfolgte bis zum Juni 2000 eine zweijährige Kaufmännische Ausbildung im Ausbildungsverbund der Firmen der ehemaligen Hoechst AG (Provadis GmbH). Nach der Bundeswehr hat Herr JACOBI dann im Oktober 2000 das Studium der Biologie an der Universität Bremen begonnen, das er im Februar 2006 erfolgreich mit dem Diplom abgeschlossen hat. Zu seinen Studienschwerpunkten gehörten die Zell- und Molekularbiologie, die Mikrobiologie und Biotechnologie sowie die Biochemie. In seiner Diplomarbeit hat er sich mit der „Rolle humaner Siglecs bei der Invasion von mononukleären Phagozyten durch den Erreger der Chagaskrankheit“ beschäftigt. Während des Studiums hat er zudem ein Auslandssemester im Rahmen eines ERASMUS-Stipendiums an der Universität Valencia in Spanien verbracht. Seit Oktober 2006 ist Herr JACOBI nun als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der CAU Kiel tätig und mit dem Forschungs- und Promotionsthema „Überwachung von Biogasanlagen auf Basis von Nahinfrarotspektroskopie“ befasst. Neben seiner eigentlichen kaufmännischen und wissenschaftlichen Ausbildung hat Herr JACOBI zahlreiche Gelegenheiten genutzt, weitere berufliche/ praktische Erfahrungen zu sammeln und seinen wissenschaftlichen Horizont zu erweitern. So war er zwischen dem Abitur und der Bundeswehr für zwei Monate in der Exportfirma DRAGOCO Gerberding beschäftigt. Direkt nach der Bundeswehr hat er für drei Monate bei Andersen Consulting in Sulzbach gearbeitet. Während des Studiums war er über längere Zeit als studentische Hilfskraft am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen sowie an der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg tätig. Zusätzlich hat er in dieser Zeit ein einmonatiges Praktikum bei einer Zeitarbeitsfirma als kaufmännische Hilfskraft absolviert. Und schließlich war er direkt nach dem Studium für zwei Monate am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und für weitere zwei Monate bei der UTEC GmbH beschäftigt, wo er sich mit Makroalgen als Substrat für Biogasanlagen und mit Biogasausbeuteanalysen befasst hat.
2. Zur Geschäftsidee der Preisträger
Die Firma TENIRS GmbH, gegründet von Dr. Helga Andree und Dr. Rainer Baumgarten im Oktober 2006 als Spin-off der Universität Kiel, entwickelt, produziert und vertreibt seit 2008 Online-Messsysteme zur Substratanalyse in Biogasanlagen. Bei dem Produkt TENIRS – Transflexiv Eingebettete NahInfraRot Spektroskopie – handelt es sich um ein prozessanalytisches Mess- und Auswertungssystem zur permanenten qualitativen Analyse von festen, flüssigen und suspensiven organischen Materialien im Prozess. Mittels dieses Verfahrens soll die Biogaserzeugung in Biogasanlagen erhöht und das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis optimiert werden.
Das Interesse der Biogas-Branche an online-Prozessüberwachung und -steuerung ist sehr groß. Daher konnten bereits in der Seed-Phase des Unternehmens, aufbauend auf den Forschungsergebnissen des Instituts für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik (ILV) der Universität Kiel, erste Pilot-Kundenprojekte realisiert werden. Wie sich an den realisierten Projekten und auch an dem Engagement des Finanzinvestors ableiten lässt, sind die Erwartungen an das Optimierungspotential derzeit so hoch, dass bei einem angestrebten Marktpreis von 25 T€ für das TENIRS-Messsystem, eine Amortisation der Investition innerhalb von zwei Jahren plausibel erscheint.
Die Gründung der TENIRS GmbH wurde maßgeblich durch die finanzielle Unterstützung durch den Seed- und StartUp-Fond Schleswig-Holstein erleichtert. Gleichfalls wichtig für die Firmengründung war die Fortführung der Forschungen des ILV in diesem Sektor und der damit verbundene Wissenstransfer neuester Erkenntnisse in die praktische Anwendung über eine vertraglich vereinbarte Kooperation des ILV mit der Firma TENIRS. Die Technologie selbst ist nicht neu. Sie zählt als Labormessverfahren bereits in verschiedenen Branchen zum Stand der Technik, z.B. in der Futter- und Lebensmittelindustrie.
Der Prozess der Biogasbildung ist äußerst sensibel und damit störanfällig. Genau hier setzt die Neuentwicklung des TENIRS-Messsystems an. Die online-Messung von Rohsubstraten und Stoffwechselzwischenprodukten soll Störungen oder gar das Kippen des Prozesses verhindern, indem Überlastungen, Fehlbeschickungen oder auch der Einfluss von Hemmstoffen verhindert werden. Darüber hinaus kann durch die kontinuierliche Überwachung der teilweise schlecht definierten und heterogen zusammengesetzten Rohsubstrate sowie durch die Integration des Messsystems in die Prozessleittechnik die Beschickung des Prozesses leistungsangepasst automatisiert werden. Ziel der Anwendung ist es, den Prozess der Biogaserzeugung so stabil zu gestalten, dass die Stromerzeugung wirtschaftlich optimiert werden kann.
3. Abschließende Bewertung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Geschäftsidee der beiden Preisträger in hervorragender Weise die zentralen Auswahlkriterien für den AgriFoodBusiness-Preis erfüllt. Es geht in diesem Fall um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Biogaserzeugung, die zukünftig für Land- und Energiewirtschaft eine zunehmende Bedeutung erlangen wird. Besonders eindrucksvoll gelingt den Preisträgern die fruchtbare Verknüpfung von Grundlagenforschung und praktischer Anwendung im Sinne der Marktreife eines innovativen Produkts. Die Jury gratuliert den Preisträgern für diese ausgezeichnete Leistung und wünscht ihnen weiterhin viel Erfolg in ihrer Arbeit.
gez. Prof. Dr. P. Michael Schmitz